no way to compare when less than two revisions
Unterschiede
Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.
— | demokratietheorien [2011/07/12 16:54] (aktuell) – angelegt - Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | ||
---|---|---|---|
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
+ | ====== Demokratietheorien ====== | ||
+ | |||
+ | //„Indeed it has been said that democracy is the worst form of Government except for all those other forms that have been tried from time to time.” | ||
+ | (Langworth 2008: 574, zitiert nach Churchill 1947) | ||
+ | // | ||
+ | |||
+ | ===== Theoretische Grundlagen ===== | ||
+ | |||
+ | Bereits der Begriff der Demokratie spiegelt seine historische Tiefe wider. Er lasse sich aus den griechischen Wörtern „demos“ (Volk, Vollbürgerschaft) und „kratein“ (herrschen, Macht ausüben) herleiten (Schmidt 2010: 17). „Demokratie ist insoweit Herrschaft oder Machtausübung des Volkes oder Herrschaft der Vielen, im Unterschied zur Herrschaft der Wenigen, wie in der Aristokratie oder der Oligarchie, oder zur Einerherrschaft, | ||
+ | |||
+ | Das moderne Demokratieverständnis fußt vor allem auf dem liberal-demokratischen Selbstverständnis der Vereinigten Staaten, das Abraham Lincoln in seiner berühmten Gettysburg Address wie folgt formulierte: | ||
+ | |||
+ | In der Abgrenzung von Demokratien und Nicht-Demokratien wird zumeist zunächst die Minimaldefinition der elektoralen Demokratie angeführt (Vgl. hierzu etwa Stykow 2007: 47). „In solchen politischen Systemen werden die Regierenden durch regelmäßig stattfindende, | ||
+ | |||
+ | |||
+ | Doch um offenen Wettbewerb um politische Ämter und damit auch um Macht sowie – dies sieht __Dahl__ als weiteres wichtiges Kriterium – die freie Formulierung von Präferenzen gewährleisten zu können, seien sechs „institutionelle Minima“ vorausgesetzt (Styckow 2007: 51, nach Dahl): | ||
+ | |||
+ | 1. Politische Entscheidungen werden ausschließlich von vermittels Wahlen befugten Repräsentanten getroffen | ||
+ | |||
+ | 2. Freie, faire und regelmäßige Wahlen | ||
+ | |||
+ | 3. Recht auf freie Meinungsäußerung | ||
+ | |||
+ | 4. Freier Zugang der Bürger zu alternativen und unabhängigen Informationsquellen | ||
+ | |||
+ | 5. Recht auf Gründung von – und Engagement in – Organisationen und Vereinigungen | ||
+ | |||
+ | 6. Beteiligung aller Bürger mit Vollendung der Volljährigkeit, | ||
+ | |||
+ | |||
+ | __Merkel et al.__ (2003) sehen (liberal) demokratische Systeme durch die Interdependenz von fünf Teilregimen gekennzeichnet: | ||
+ | |||
+ | 1. allgemeine, gleiche, freie und faire Wahlen, die gestützt werden durch | ||
+ | |||
+ | 2. politische Partizipation | ||
+ | |||
+ | 3. bürgerliche Freiheitsrechte | ||
+ | |||
+ | 4. horizontale Gewaltenkontrolle sowie | ||
+ | |||
+ | 5. effektive Regierungsgewalt, | ||
+ | |||
+ | Entsprechend ihrer essentiellen, | ||
+ | |||
+ | |||
+ | ===== Praktische Anwendung ===== | ||
+ | |||
+ | Bereits die hier vorgestellte selektive Auswahl demokratietheoretischer Ansätze lässt jedoch im Hinblick auf die Formel „government of the people, by the people, for the people“ bisweilen erheblichen Spielraum. Freedom House Index zufolge gab es im Jahr 2009 116 elektorale Demokratien (Puddington 2010: 1). Von ihnen werden jedoch lediglich 89 als //frei// eingestuft (Puddington 2010: 4). Somit können politische Systeme, die als (elektorale) Demokratien bezeichnet werden, bisweilen erhebliche Mängel aufweisen. Merkel (Vgl. 1999, 2003) etwa, bezeichnet diese Grauzone zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien als „Defekte Demokratien“, | ||
+ | |||
+ | Während einer Systemtransformation werden drei Phasen durchlaufen (Vgl. Merkel 1999): | ||
+ | |||
+ | 1. Ende des alten autokratischen Systems // | ||
+ | |||
+ | a. einer langandauernden Evolution | ||
+ | |||
+ | b. einem von den Eliten des alten Regimes gelenktem Systemwechsel | ||
+ | |||
+ | c. einem von unten erzwungenem Systemwechsel | ||
+ | |||
+ | d. einem Systemwechsel, | ||
+ | |||
+ | e. einem Regimekollaps | ||
+ | |||
+ | f. der Neugründung von Staaten | ||
+ | |||
+ | |||
+ | 2. Institutionalisierung des neuen demokratischen Systems durch | ||
+ | |||
+ | a. Übergang der Kontrolle politischer Entscheidungen von den etablierten, | ||
+ | |||
+ | b. Öffnung des politischen Handlungsspielraums im Hinblick auf die Neugestaltung des Systems | ||
+ | |||
+ | c. Selbstbegrenzung der Übergangseliten im Hinblick auf den zukünftigen politischen Handlungsspielraum | ||
+ | |||
+ | d. im besten Fall: Normierung des „politischen Wettbewerbs“ sowie der „politischen Entscheidungsverfahren“ und Etablierung neuer demokratischer Institutionen (Merkel 1999: 137) | ||
+ | |||
+ | |||
+ | 3. Konsolidierung der neu institutionalisierten Demokratie: // | ||
+ | |||
+ | a. erste Wahlen durchgeführt werden | ||
+ | |||
+ | b. die neue Verfassung verabschiedet bzw. die alte Verfassung demokratisch revidiert wird (Normierung der wichtigsten politischen Verfahren, Etablierung zentraler politischer Institutionen, | ||
+ | |||
+ | |||
+ | Eine Transformation autokratischer Systeme birgt jedoch stets die Gefahr einer Etablierung defekter sowie auf lange Sicht bisweilen instabiler Demokratien. Gerade im Hinblick auf die Aufgabe, den politischen Handlungsspielraum so zu begrenzen, dass die Möglichkeit des Machtmissbrauchs nivelliert werden kann. | ||
+ | |||
+ | ===== Kritik ===== | ||
+ | |||
+ | Es gibt zahlreiche Kritikpunkte, | ||
+ | |||
+ | Ein entscheidender Schwachpunkt von Demokratietheorien ist grundsätzlich die definitorische Unsicherheit. Dies zeigt bereits das Vorhandensein des Begriffs der „Defekten Demokratie“, | ||
+ | |||
+ | Ein weiterer Kritikpunkt zielt auf die Frage nach den partizipierenden Akteuren. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika, die als erste liberale Demokratie gelten, entsprachen zunächst nicht dem liberal-demokratischen Ideal, da sie bis ins 20. Jahrhundert vor allem die schwarze Bevölkerung, | ||
+ | |||
+ | Der Umsetzung des omni-partizipatorischen Ideals sind in der Realität weitere natürliche Grenzen gesetzt, wodurch sich ein latentes Legitimationsdefizit ergibt. Die Herrschaft einer Elite (Stykow 2007: 47) birgt stets die potentielle Gefahr eines Machtmissbrauchs, | ||
+ | |||
+ | Die Frage ist zudem, inwieweit das Modell der liberalen Demokratie auf Staaten übertragbar ist, die außerhalb (West-) Europas und Nordamerikas liegen. Historisch-generische Zugänge betonen die hohe Relevanz seines Entstehungskontextes, | ||
+ | |||
+ | |||
+ | ===== Literatur ===== | ||
+ | |||
+ | |||
+ | Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurt a.M. | ||
+ | |||
+ | Hall, Stuart (2002): Cultural Representations and Signifying Practices. London/ | ||
+ | |||
+ | ——— (2004): “The West and the Rest: Discourse and Power”. In: ders. / David Held/ Don Hubert/ Kenneth Thompson (Hrsg.). Modernity. An Introduction to Modern Societies. Malden/ | ||
+ | |||
+ | Langworth, Richard M. (2008): Churchill by himself. New York. | ||
+ | |||
+ | Puddington, Arch (2010): „Freedom in the World 2010. Erosion of Freedom Intensifies“. Auf: http:// | ||
+ | |||
+ | Sartori, Giovanni (1992): Demokratietheorie. Darmstadt, S. 274-290. | ||
+ | |||
+ | Schmidt, Manfred G. (2010): Demokratietheorien. Eine Einführung. Bonn. | ||
+ | |||
+ | The White House (Hrsg.) (o.J.): „Abraham Lincoln“. Auf: http:// | ||
+ | |||
+ | Trueman, Chris (o.J.): „Liberal Democracy“. Auf: http:// | ||
+ | |||